| "Flipping of the classroom", das neue Rezept, Schule signifikant zu vebessern, meldet focus.de. Dazu enthält das Video tolle Bilder aus dem Schulalltag. Ja, genau so geht es zu bei uns! Lassen Sie sich entführen in eine eigene Welt. Was genau gemeint ist mit diesem technik-gestützten "Flipping" (Technik, ja, das ist das Ding unserer amerikanischen Freunde!), wird nicht so ganz klar. Ich als Laie verstand es so: Der Lehrer erklärt seine Lektion jetzt in einem Video statt an der Tafel. Bei youtube gibt es ja bereits Millionen solcher sog. Tutorials. |
Die Schüler schauen sich das dann auf ihrem Mobil-Telefon zuhause an (anstatt in einem lauten, überfüllten, undisziplinierten Klassenzimmer). Denn Videos schaut sich jeder gern an auf dem Handy. Noch hat das Erlebnis den Reiz des Neuen. In der Schule werden dann Arbeitsblätter oder Übungen zu dem Stoff gemacht. Weil diese Übungen bisher die Hausaufgaben waren, kann man das Ganze nun verkaufen als "Unsere Schule hat keine Hausaufgaben mehr" und wird doch um so und so viel Prozent besser! Kitschig, triefend amerikanisch!
Der Film zeigt so viele Amerika-Faktoren! Die Bedeutung des Marketing auch im sozialen Bereich! Die Technik-Affinität und -Gläubigkeit! Der für uns Europäer unfassbare (und sehr abschauens-würdige) Machbarkeits-Glaube und optimistische Zukunftsblick. Die Bedeutung des Autos (so beginnt der Film). Die Nutzung des Mediums Film, siehe die emotionale Filmmusik, die Nutzung von Emotionen, der Techniken des Dramas. Der Glaube, dass eine Bekehrung, ein Wechsel von Vorher-Nachher zum Guten jederzeit möglich ist, mehrmals im Leben ("Transformation").
Dass diese klugen Neuerungen auch in unseren Bildungseinrichtungen kommen werden, ist absehbar. Bloß wann, und wer wird vorne dabei sein? Was passiert mit unseren lieben Schulbuchverlagen und überkommenen Lehrbuchkommissionen? Interessant ist vor allem die Frage: Was bedeutet der Wandel -- der schon lange in Gang ist -- von der Schriftlichkeit zur Mündlichkeit? Zu meiner Studienzeit in Freiburg gab es hierzu einen sog. Sonderforschungsbereich, ich besuchte ein altphilologisch-archäologisches Seminar zur Bibliotheks- und Mediengeschichte und schrieb hierüber eine Seminar- sowie eine Zulassungsarbeit. Wenn alles sehr leicht filmbar, auch animierbar, visualisierbar, virtualisierbar und darstellbar und dann auch so leicht abspielbar ist (die Schüler können ihre Lektion im Bett angucken auf ihrem Smartphone, mit witzigen Visualisierungsmöglichkeiten, die bisher an der Tafel nie möglich waren, im Film oben nur angedeutet!), führt uns dann die Digitalisierung vielleicht zurück vom Alten Rom ins alte Griechenland? Ich las viele Forscher, z.B. welche, die in Neapel verkrustete Schriftrollen ausgegraben hatten. 79n.Chr. hat hier ja bekanntlich die Vesuv-Lava bei einem großen Ausbruch Pompeji und viele Villen am Hang verschüttet, und eben auch Schriftrollen, die damaligen Bücher. Vorsichtig, Millimeter für Millimeter werden sie heute entrollt, dann gelesen, dann wird sich über den Inhalt Gedanken gemacht und über den Fundort, über die damaligen Leser, was der Inhalt dem Käufer der Schriftrolle wohl bedeutete, wie er sein Leben beeinflusste, wie Griechen und Römer gegensätzlich lasen und das Gelesene anwandten, und wie das Ganze auf unsere westliche Kultur und Schulen bis heute ausstrahlte bzw. sie erst entstehen ließ. Das Wort "Studium" entstand erst bei den Römern, es heißt "Anstrengung". Schule bedeutete Jahrtausende lang Bücher studieren. Befreit uns davon die Digitalisierung? Führt sie uns also weg von Rom, vom Palatin, wo nach Alexandrien und Pergamon (daher "Pergament") die ersten großen Bibliotheken der westlichen Welt entstanden unter Augustus (griechisch-römische Doppelbibliothek auf dem Palatin am Apollotempel, und daran knüpften dann alle Klöster des Abendlandes an), führt diese Medien-Revolution, diese neue Renaissance wie es heißt, diese neue größte Digitalisierungs-Wende seit der Erfindung des Buchdrucks uns weg vom anstrengenden "Studieren aus gedruckten Büchern", uns weg hin zu den alten Griechen, die an den Stränden Siziliens oder Kleinasiens spazierten und mündlich kommunizierten, locker, ohne Bücher, aus dem Kopf diskutierend mit einem Gegenüber (siehe die Lockerheit der Schüler im Film, die mündliche Begegnung mit ihren Lehrern auf dem Flur)? Die Forscher, die ich las, meinen, dass Schriftrollen bei den Griechen lediglich in Abstellkammern verwahrt wurden, um notfalls nachschlagen zu können. Aber sie spielten keine große Rolle im Leben. Bringt uns das Smartphone mit dem Internet wieder zurück zu diesem seligen Zustand?
Meine Vermutung: Ja, die Schüler werden auch, anstatt Aufsätze zu schreiben, vermehrt sich selber filmen und ihre früher in Klassenarbeitshefte geschriebenen Texte jetzt perfekt präsentiert mündlich und filmlich sozusagen einreichen, auf youtube stellen etc. Es heißt ja auch, dass auf Sozialen Medien demnächst immer mehr Tondateien und Filmdateien (vgl. Skype) getauscht werden statt sms- und andere Message-Texte. Facebook ist ja mit sofort loslaufenden Filmen seit Kurzem aufgerüstet worden. Die Schriftlichkeit wird also zurück gedrängt werden. Im Unterricht der modernen Fremdsprachen herrscht die Mündlichkeit, die Oralität, ja bereits seit Jahrzehnten. Klassische Literatur, geschriebene, womöglich auf Papier gedruckte Hochsprache mit Feinheiten und Eleganz! -- das gerät immer mehr an den Rand. Allerdings zeigt ja die mächtige Poetry-Slam-Bewegung, dass eine elegante, feine Sprache auch rein mündlich möglich ist. Es muss einem also nicht bange sein um die Sprache. Die Schriftlichkeit wird zwar, wie das gedruckte Buch, nur noch ein Kanal von vielen sein, aber genau deswegen ihre Liebhaber behalten. In der Schule wird also vieles mündlich und per Film ablaufen, aber für begabte Schüler wird es weiter ein Angebot geben, Literatur auch zu lesen, auch lateinische, und sie nicht nur, aber auch schriftlich zu verarbeiten. (Wie müssen dann bloß die Abi-Aufgaben aussehen, wie verändert sich die Prüfungskultur?) Nun käme man zu der momentan laufenden Diskussion, wie die Bundesländer unterschiedlich mit ihren Grundschulen umgehen, ob man heut noch eine Handschrift lernen müsse (einige -- Finnland, natürlich vorne dabei -- haben das abgeschafft). Aber das würde zu weit führen. Klar ist aber, dass Grundpfeiler unserer Kultur, unsere Bücher, unsere Schrift, unsere Art zu lernen und zu studieren, durch diese digitale Revolution umgeworfen und erneuert werden. So wie ein Renaissance-Mensch damals rufe ich aus über diese verrückte Wende-Zeit (und da auch noch drin Lehrer zu sein): "Es ist eine Lust zu leben!"
Der Film zeigt so viele Amerika-Faktoren! Die Bedeutung des Marketing auch im sozialen Bereich! Die Technik-Affinität und -Gläubigkeit! Der für uns Europäer unfassbare (und sehr abschauens-würdige) Machbarkeits-Glaube und optimistische Zukunftsblick. Die Bedeutung des Autos (so beginnt der Film). Die Nutzung des Mediums Film, siehe die emotionale Filmmusik, die Nutzung von Emotionen, der Techniken des Dramas. Der Glaube, dass eine Bekehrung, ein Wechsel von Vorher-Nachher zum Guten jederzeit möglich ist, mehrmals im Leben ("Transformation").
Dass diese klugen Neuerungen auch in unseren Bildungseinrichtungen kommen werden, ist absehbar. Bloß wann, und wer wird vorne dabei sein? Was passiert mit unseren lieben Schulbuchverlagen und überkommenen Lehrbuchkommissionen? Interessant ist vor allem die Frage: Was bedeutet der Wandel -- der schon lange in Gang ist -- von der Schriftlichkeit zur Mündlichkeit? Zu meiner Studienzeit in Freiburg gab es hierzu einen sog. Sonderforschungsbereich, ich besuchte ein altphilologisch-archäologisches Seminar zur Bibliotheks- und Mediengeschichte und schrieb hierüber eine Seminar- sowie eine Zulassungsarbeit. Wenn alles sehr leicht filmbar, auch animierbar, visualisierbar, virtualisierbar und darstellbar und dann auch so leicht abspielbar ist (die Schüler können ihre Lektion im Bett angucken auf ihrem Smartphone, mit witzigen Visualisierungsmöglichkeiten, die bisher an der Tafel nie möglich waren, im Film oben nur angedeutet!), führt uns dann die Digitalisierung vielleicht zurück vom Alten Rom ins alte Griechenland? Ich las viele Forscher, z.B. welche, die in Neapel verkrustete Schriftrollen ausgegraben hatten. 79n.Chr. hat hier ja bekanntlich die Vesuv-Lava bei einem großen Ausbruch Pompeji und viele Villen am Hang verschüttet, und eben auch Schriftrollen, die damaligen Bücher. Vorsichtig, Millimeter für Millimeter werden sie heute entrollt, dann gelesen, dann wird sich über den Inhalt Gedanken gemacht und über den Fundort, über die damaligen Leser, was der Inhalt dem Käufer der Schriftrolle wohl bedeutete, wie er sein Leben beeinflusste, wie Griechen und Römer gegensätzlich lasen und das Gelesene anwandten, und wie das Ganze auf unsere westliche Kultur und Schulen bis heute ausstrahlte bzw. sie erst entstehen ließ. Das Wort "Studium" entstand erst bei den Römern, es heißt "Anstrengung". Schule bedeutete Jahrtausende lang Bücher studieren. Befreit uns davon die Digitalisierung? Führt sie uns also weg von Rom, vom Palatin, wo nach Alexandrien und Pergamon (daher "Pergament") die ersten großen Bibliotheken der westlichen Welt entstanden unter Augustus (griechisch-römische Doppelbibliothek auf dem Palatin am Apollotempel, und daran knüpften dann alle Klöster des Abendlandes an), führt diese Medien-Revolution, diese neue Renaissance wie es heißt, diese neue größte Digitalisierungs-Wende seit der Erfindung des Buchdrucks uns weg vom anstrengenden "Studieren aus gedruckten Büchern", uns weg hin zu den alten Griechen, die an den Stränden Siziliens oder Kleinasiens spazierten und mündlich kommunizierten, locker, ohne Bücher, aus dem Kopf diskutierend mit einem Gegenüber (siehe die Lockerheit der Schüler im Film, die mündliche Begegnung mit ihren Lehrern auf dem Flur)? Die Forscher, die ich las, meinen, dass Schriftrollen bei den Griechen lediglich in Abstellkammern verwahrt wurden, um notfalls nachschlagen zu können. Aber sie spielten keine große Rolle im Leben. Bringt uns das Smartphone mit dem Internet wieder zurück zu diesem seligen Zustand?
Meine Vermutung: Ja, die Schüler werden auch, anstatt Aufsätze zu schreiben, vermehrt sich selber filmen und ihre früher in Klassenarbeitshefte geschriebenen Texte jetzt perfekt präsentiert mündlich und filmlich sozusagen einreichen, auf youtube stellen etc. Es heißt ja auch, dass auf Sozialen Medien demnächst immer mehr Tondateien und Filmdateien (vgl. Skype) getauscht werden statt sms- und andere Message-Texte. Facebook ist ja mit sofort loslaufenden Filmen seit Kurzem aufgerüstet worden. Die Schriftlichkeit wird also zurück gedrängt werden. Im Unterricht der modernen Fremdsprachen herrscht die Mündlichkeit, die Oralität, ja bereits seit Jahrzehnten. Klassische Literatur, geschriebene, womöglich auf Papier gedruckte Hochsprache mit Feinheiten und Eleganz! -- das gerät immer mehr an den Rand. Allerdings zeigt ja die mächtige Poetry-Slam-Bewegung, dass eine elegante, feine Sprache auch rein mündlich möglich ist. Es muss einem also nicht bange sein um die Sprache. Die Schriftlichkeit wird zwar, wie das gedruckte Buch, nur noch ein Kanal von vielen sein, aber genau deswegen ihre Liebhaber behalten. In der Schule wird also vieles mündlich und per Film ablaufen, aber für begabte Schüler wird es weiter ein Angebot geben, Literatur auch zu lesen, auch lateinische, und sie nicht nur, aber auch schriftlich zu verarbeiten. (Wie müssen dann bloß die Abi-Aufgaben aussehen, wie verändert sich die Prüfungskultur?) Nun käme man zu der momentan laufenden Diskussion, wie die Bundesländer unterschiedlich mit ihren Grundschulen umgehen, ob man heut noch eine Handschrift lernen müsse (einige -- Finnland, natürlich vorne dabei -- haben das abgeschafft). Aber das würde zu weit führen. Klar ist aber, dass Grundpfeiler unserer Kultur, unsere Bücher, unsere Schrift, unsere Art zu lernen und zu studieren, durch diese digitale Revolution umgeworfen und erneuert werden. So wie ein Renaissance-Mensch damals rufe ich aus über diese verrückte Wende-Zeit (und da auch noch drin Lehrer zu sein): "Es ist eine Lust zu leben!"